Predigt Martin Prudký’s auf der Trauerfeier am 26. Januar 2008


Salvatorkirche Prag 1 – Altstadt




Prof. ThDr. Jan Heller (22.4.1925 – 15.1.2008)





Ich bin die Auferstehung und das Leben,


Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. (Joh 11,25)



Liebe Brüder und Schwestern,


sehr geehrte Schwester Heller, liebe hinterbliebene Familie, geehrte Gäste,


wenn einer stirbt, der uns nahesteht, jemand der uns viel bedeutete, so tut es uns weh; es schmerzt uns tief; vielleicht, daß uns die letzten Fragen nach Leben und Tod bewegen, ... vielleicht auch verunsichern. – Wohin gehen wir? Was ist das Ziel unseres Lebens? Was ist unsere Hoffnung?


Auch wenn wir, menschlich gesehen, auf unserem Lebensweg sehr erfolgreich waren – wie man sagt „sichergestellt“; auch wenn wir unser Leben gut bewältigt haben, erfolgreich, ehrenhaft; ... auch wenn wir „lebenssatt“ sterben, wie die Bibel sagt; ... auch wenn wir ein umfangreiches und nützliches Werk hinterlassen; ... auch wenn unser Lebensweg erfüllt war und für viele ein Segen (wie das vom Lebensweg Bruder Prof. Hellers gilt), ... was letztlich sagen am Sarg, im Angesicht des Todes? Ist das das Ende? Fällt nicht von da auf alle unsere Bemühungen, auf unsere Erfolge, auf unsere Freuden, auf unsere Hoffnungen letztendlich ein Schatten, ein Fragezeichen oder sogar ein vernichtendes Ausrufezeichen? – Wo Orientierung suchen in diesem Augenblick?


II.


Gern will ich bei der Suche nach Antwort auf diese zutiefst menschlichen Fragen festhalten an dem, was uns Bruder Prof. Heller darüber auf seine unverwechselbare Art und Weise gelehrt und bezeugt hat. Nicht nur, um hier aus Pietät an etwas aus seinem Werk zu erinnern. Der Grund liegt viel tiefer: Ich bin überzeugt – ich bin mir auch sicher, daß ich diese Haltung mit vielen von Ihnen teile – daß das, was Prof. Heller zu diesen letzten Fragen des menschlichen Lebens gesagt ... und namentlich, wie er diese Antworten zu suchen gepflegt hat (sein Vorgehen und seine Methode), uns viel zu sagen hat. – Ja, wir können uns orientieren, hinweisen auf die Hoffnung und den Grund der Zuversicht auch in Augenblicken der Unsicherheit und der Bedrängnis, wie diese ist. – Wo beginnen?


III.


Wenn wir bei Bruder Prof. Heller lernen wollen, sollten wir die Bibel aufschlagen. Nicht, weil in ihr alle Antworten gleich auf der Hand liegen, sondern weil die geöffnete Bibel uns zu einem bestimmten Vorgehen und zu einer bestimmten Methode führt. Zum Zuhören, zum Hören, ehe wir uns in die Probleme unserer Unsicherheit und Bedrängnis vertiefen, zum Fragen nach dem Wort Gottes ... vor dem Analysieren unseres unruhigen Inneren.


Ich weiß nicht, ob auch Sie – Brüder und Schwestern – bemerkt haben, wie besonders in den letzten Jahren, als Bruder Prof. Heller schon sehr stark von Krankheit gequält wurde und er nicht selten in seinen Texten oder in lebendigen Ansprachen im Radio auf die letzten Fragen des Lebens zu sprechen kam ( auf seine unverwechselbare, beeindruckend durchdachte Art, ... durchmeditiert und die Gedanken in tiefe Zusammenhänge einordnend), ob auch Sie bemerkt haben, wie er dabei systematisch auf die Bibel hinwies. Ja, mehr als das: wie er dabei gleichsam unwillkürlich, freilich immerfort die Bibel auslegte.


Sicher, sie können sagen: Das war sein Beruf. Er konnte es und hat es gut gemacht. Es ist jedoch um vieles mehr – auch für uns, die wir nicht die Weite und Tiefe seiner Bildung haben. Es ist indessen eine grundlegende christliche Erkenntnis, daß die Bibel (kurz gesagt) das Zeugnis des Wortes Gottes ist. Und wenn ich nach letzten Sicherheiten, nach der letzten Hoffnung für das menschliche Leben frage – mit den Worten der Bibel: wenn ich nach dem „ewigen Leben“ frage – dann kann ich nicht am Zeugnis der Propheten und Apostel vorübergehen, wie es in der Heiligen Schrift festgehalten ist.


IV.


Beide Texte, Psalm 146, den wir als erste Lesung gehört haben, und auch der Vers aus dem Johannesevangelium, der das Motto der Traueranzeige ist, sprechen ausdrücklich auf diese Weise – über den Kern der Sache, über „Gott“, über das menschliche Leben in der Perspektive der „Ewigkeit“.


Der Psalmist sagt: Selig ist, des Hilfe der „Gott Jakobs“ ist. (V. 5)


Der Gott Jakobs – der Gott Israels. Das ist ein auf dem religiösen Markt des Altertums ebenso wie auf dem heutigen ein sehr einzigartiger wunderbarer Gott; nicht austauschbar. Es ist eine wesentliche theologische Frage, ob sich der allgemeine Terminus „Gott“ („Gottheit“) für ihn überhaupt eignet...


Beachten wir, wie der Psalmist über ihn ( – den Gott Jakobs; den Gott Israels –) spricht: „Der Herr ... das ist der, der Himmel und Erde gemacht hat mit dem Meer und allem, was darin ist“ – also: das Meer, diese göttliche Macht ... ja auch die unermeßliche Kuppel des Himmels mit der lebenspendenden Sonne, mit dem Mond göttlich unsere Zeit abmessend ... mit dem ganzen himmlischen Heer der Sterne und was durch sie die Menschheit seit uralten Zeiten in die Ordnungen des Weltalls hineinsieht ... das alles hat keine Macht über uns, wenn unsere Hilfeder Gott Jakobs“ ist. – Zum fröhlichen Vertrauen auf ihn gehört, daß der Kosmos „entzaubert“ ist, ... daß auch das gewaltige Meer und die himmlischen Weiten sein gutes Werk sind, seine Schöpfung – das heißt, daß er souveräne Macht über sie hat (wie ein Töpfer über seinen Krug) – und deshalb muß der, der ihm gehört, „dem Gott Jakobs“, nichts fürchten!


Dieser einzigartige Gott – wie der Psalmist weiter singt – ist „treu in alle Ewigkeit“ ... dem Unterdrückten schafft er Recht; dem Hungernden gibt er Brot; er befreit die Gefangenen; er öffnet die Augen der Blinden; die Erniedrigten richtet er auf; ... er liebt die Gerechten; er beschützt die Heimatlosen; er nimmt sich der Waisen und Witwen an. – Der Herr herrscht ewiglich. Dein Gott, Zion, für und für.


Vielleicht kann auch uns, wenn wir auf diese Weise das Zeugnis der Schrift hören, dank dieses suggestiven Zeugnisses, aufleuchten, was ein Wort des Trostes sein könnte ... auch am Sarg. Was so für unser Leben – auch dem Tod zum Trotz – eine Quelle der Hoffnung und der Zuversicht sein könnte.


V.


Der Ausspruch aus dem Johannesevangelium sagt es anders, aber er zeugt von demselben.


Jesus ist im Kontext des gegebenen Evangelienberichts mit dem Tod konfrontiert; mit dem Tod eines nahestehenden und geliebten Menschen (V. 5). Lazarus war nämlich gestorben, der Bruder von Maria und Martha (über die das Evangelium noch an anderer Stelle berichtet); und es war schon vier Tage her, seit er begraben wurde. – Jeder, dem die Tradition über die Auferstehung Christi am dritten Tag bekannt ist, hört hier die Anspielung. Lazarus ist schon den vierten Tag begraben: hmm, so daß nichts...


In diesem Moment kommt Jesus dazu. Die trauernde Martha geht hinaus ihm entgegen; bei der Begrüßung wirft sie ihm vor, er sei zu spät gekommen. Wäre er rechtzeitig gekommen, hätte Lazarus nicht sterben müssen


Vorsicht, liebe Freunde, in diesem Bericht geht es nicht darum, daß Jesus eine Art „Zauberdoktor“ wäre, der weiß, wie man hier den „Sensenmann“ verscheucht. Das Johannes-evangelium ist kein Märchen dieses Typs – sondern ein gut durchdachtes und sorgfältig zusammengestelltes Zeugnis davon, daß jener „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ (– von dem die Propheten und die Psalmisten zeugen –) ... daß dieser Gott mitten unter uns ist in der Gestalt Jesu von Nazareth (verkörpert). – Wie ich schon sagte: Ein einzigartiger, wunderbarer Gott...


Im johanneischen Evangelienbericht sagt dieser Jesus (den Johannes gleich im Prolog seines Evangeliums einführt als Verkörperung jenes Schöpfungswortes, das am Anfang war, des Wortes, das Gott selbst ist) – also dieser Jesus sagt: „ich bin... “


Er stellt sich hier mit der gleichen Formel vor, wie das viele Male der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs in den alttestamentlichen Berichten tut, etwa in der bekannten Szene am brennenden Busch am Fuße des Berges Horeb dem Mose...


Nach solchem sich selbst vorstellenden, sich selbst offenbarenden „ich bin“ folgen in der Bibel immer wesentliche Aussagen. So auch hier: Ich bin die Auferstehung und das Leben... – Was bedeutet das?!


VI.


Auferstehung: Vorsicht, daß wir diesen Begriff nicht mit irgendwelchen allzu konkreten Vorstellungen füllen, weil wir ihn dann – gerade wegen der Unangemessenheit dieser Vorstellungen – wahrscheinlich bald ablehnen und aufhören müßten, ihn zu benutzen. Und das wäre schade. Die Auferstehung besagt nämlich, daß der Tod nicht das letzte Wort hat; daß der Tod oder das Grab nicht eine grundlose Grube des Verderbens sind, in die zuletzt alles hinabstürzt. Die Auferstehung meint keineswegs die “Rückkehr ins irdische Leben“, sondern die Souveränität und den letztlichen Sieg jener Quelle des Lebens, von der uns unser Leben geschenkt ist; Auferstehung ist die Antwort auf Verderben und Tod. Ja, das ist eine kühne Rede, ein verwegener Gedanke an Triumph über den Tod...

Dieser mutige Gedanke wird hier auf Jesus bezogen. Dieses, das er hier sagt: “Ich bin die Auferstehung und das Leben...“, also: das, was er verkörpert, ... was er darstellt und was er da herbeiführt, wohin er kommt oder wo er gegenwärtig ist ... das ist die Auferstehung und das Leben. Da herrschen im Letzten (schon) nicht mehr Verderben und Tod.


Darum hat jeder, der „in Christus“ ist (wie der Apostel Paulus sagt), also der sich mit seinem Leben zu Christus bekennt, an ihm festhält und sich auf ihn verläßt (mit seinen Hoffnungen und Unsicherheiten) … das Leben – Leben „in Christus“. Mit anderen Worten: er hat Anteil am Leben, in dem auch ein kurzer Tod ist ... Er hat „ewiges Leben“.


VII.


Das wird – mit ganz einfachen Worten – im zweiten Satz des Ausspruches Jesu gesagt.


(Ich bin die Auferstehung und das Leben...)Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt...


Das Leben in Christus“ währt über das Grab hinaus, das versucht das Evangelium auf viele Weise auszudrücken, z.B. auch durch die Ostergeschichte…


In einer seiner Predigten faßt Bruder Prof. Heller diese Botschaft mit diesen Worten zusammen (ich zitiere):


Nach allen Teilen der Heiligen Schrift, die uns auf die letzten Dinge hinweisen, ist eines klar: Gott hat bei allem und über alles das letzte Wort (Formulierung Slavomil Danìks) und zwar gerade der Gott, der sich uns offenbart hat und für uns gekommen ist in dem demütigen und opferbereiten Erlöser.“ (Stezka ve skalách, Praha: Kalich 2006, S. 273)


VIII.


Die wir heute so am Sarg Jan Hellers versammelt sind – freilich in der Kirche, also an dem Ort, wo der „Gott, der für uns gekommen ist in dem demütigen und opferbereiten Erlöser“ bezeugt, bekannt, in Klagen gebeten und gelobt wird; ... in der Kirche, die den Namen Salvator trägt (d.h. „Erlöser“) – lassen wir uns durch diese Evangelienbotschaft trösten, ansprechen und orientieren: Das letzte Wort über alles Leben hat ER – der „Gott Jakobs“, in Christus Jesus unser „lieber Vater“.


In dieser Botschaft nämlich, (wie Jan Heller überzeugt war und wie wir viele dem zustimmen können) besteht das Wort des Trostes und der Hoffnung und das auch trotz des Todes. – Amen



Laßt uns still werden zum Gebet:


Wir danken Dir, unser Herr, daß wir das Wort des Evangeliums hören und uns damit trösten konnten, daß wir nicht dem Verderben ausgeliefert sind. Im Licht Deines wunderbaren Handelns für uns, im Licht Deiner Auferstehung, finden wir auch für unser Leben Hoffnung.


Wir danken Dir, daß wir so nicht nur in dem Augenblick, wenn uns das Sterben eines teuren Menschen schmerzlich berührt, nicht in Verzweiflung fallen müssen, sondern unsere Hoffnung (für ihn und für uns selbst) in Deine Hände legen können ... – ja, Du hast kennengelernt, was Tod und Grab ist, aber Du bist die Auferstehung und das Leben.


Amen.